Krank im Urlaub? Tipps gegen „Leisure Sickness“ für Führungskräfte

Heilpraktikerin & Gesundheitscoach für Stress und Burnout
Gesundheit heißt für mich, achtsam wahrzunehmen, was in uns passiert – und unsere Aufmerksamkeit dorthin zu lenken, um Heilung zu ermöglichen.
Inhalt
- Was ist das Leisure Sickness Syndrom?
- Ursachen für Leisure Sickness: Psychologische Prägungen und struktureller Dauerstress
- Das passiert bei Leisure Sickness im Körper
- Krank nach Stressabfall: Diese Mitarbeiter sind besonders gefährdet
- Tipps gegen Leisure Sickness: Für Führungskräfte und ihre Mitarbeiter
- Das Wichtigste in Kürze
Wochenlang wird im Job durchgezogen, auf den Urlaub hingearbeitet – und dann das: Kaum steht die lang ersehnte Erholung vor der Tür, schlagen Erkältung, Migräne oder Erschöpfung zu. Ein Phänomen, das viele kennen, aber kaum jemand beim Namen nennt: Leisure Sickness.
Was steckt dahinter? Warum wird der Körper im Urlaub krank? Welche Rolle spielen unser Nervensystem und psychologische Muster? Und was hilft gegen Leisure Sickness?
Ich bin Heilpraktikerin & Gesundheitscoach für Stress- und Burnoutmanagement und erkläre in diesem Artikel Ursachen und Risikofaktoren für Leisure Sickness. Außerdem gebe ich Ihnen konkrete Tipps an die Hand, wie Sie das Phänomen als Führungskraft aktiv vorbeugen können – für sich selbst und für Ihr Team.

Was ist das Leisure Sickness Syndrom?
„Warum werde ich krank, wenn ich frei habe?“ Diese Frage stellen sich viele Menschen – immer wieder, besonders zur Sommerferienzeit. In vielen Fällen steckt ein Phänomen dahinter, das den Namen Leisure Sickness trägt.
Definition Leisure Sickness
Auch wenn der Begriff Leisure Sickness zunächst exotisch klingt – die meisten sind damit bereit in Berührung gekommen: Das Leisure-Sickness-Syndrom bezeichnet „das psychosomatische Phänomen, dass sich Menschen bevorzugt krank fühlen bzw. erkranken, wenn sie in eine Freizeitphase eintreten“ (Quelle).
Im Deutschen ist oft von „Freizeitkrankheit“ oder „Wochenendkrankheit“ die Rede. Erstmals beschrieben wurde das Syndrom bereits 2001 von den niederländischen Psychologen Ad Vingerhoets und Maaike van Huijgevoort.
Leisure Sickness: Symptome
Da Leisure Sickness keine offiziell anerkannte Krankheit, sondern ein psychologisches Phänomen ist, können die Symptome von Person zu Person stark variieren. Doch wie äußert sich das Leisure Sickness Syndrom grundsätzlich?
Eine aktuelle Studie der IU Internationale Hochschule ermittelte die folgenden Faktoren in absteigender Reihenfolge als typische Symptome für Leisure Sickness:
Müdigkeit/ Erschöpfung
Schlafprobleme – Einschlaf- und Durchschlafprobleme
Reizbarkeit
Kopfschmerzen
Erkältungssymptome
Magen-Darm-Beschwerden
Migräne
Diese Symptome treten typischerweise am Wochenende oder im Urlaub auf und halten meist wenige Stunden bis maximal zwei Tage an.
Wie verbreitet ist Leisure Sickness?
Die meisten Berufstätige kennen das Phänomen Leisure Sickness aus eigener Erfahrung – auch wenn sie es vielleicht nicht beim Namen nennen könnten: Laut aktuellen Studienergebnissen haben 7 von 10 deutschen Arbeitnehmern Leisure Sickness schon einmal erlebt.
Besonders alarmierend: Fast 20 % fühlen sich im Urlaub sogar häufig oder immer krank.

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Ursachen für Leisure Sickness: Psychologische Prägungen und struktureller Dauerstress
Die Ursachen für Leisure Sickness liegen vor allem in zwei Bereichen: akutem Stress und hoher Arbeitsbelastung – aber auch in tiefer liegenden, psychologischen Mustern, die bis in die Kindheit zurückreichen.
Psychologischen Hintergründe und kindliche Prägungen
Wie so oft im Leben spielen auch bei Leisure Sickness unsere frühen Prägungen eine zentrale Rolle. Wer schon als Kind gelernt hat, dass Leistung mit Anerkennung verknüpft ist, hat es später oft schwer, wirklich abzuschalten. Hinter diesem Verhalten steckt ein tiefer Glaubenssatz: „Ich bin nur wertvoll, wenn ich funktioniere.“
Die Folge: ein ständiger Leistungsdruck. Selbst in Phasen, in denen eigentlich Erholung angesagt wäre. Der Körper kommt nie richtig zur Ruhe.
Auch Perfektionismus ist ein starker Treiber. Besonders perfektionistisch veranlagte Menschen übernehmen viel Verantwortung – im Job wie im Privaten. Für sie bedeutet Loslassen oft Kontrollverlust. Und so bleibt das Nervensystem im Alarmmodus.
Stress und hoher Arbeitsbelastung
Oft führt genau diese psychologische Prägung dazu, dass Menschen später im Berufsleben viel Verantwortung nehmen, einem hohen Workload nachgehen und sich in ihrer Freizeit schwer davon abgrenzen können.
Prof. Dr. Stefanie André, Professorin für Gesundheitsmanagement und Expertin für Gesundheit am Arbeitsplatz, bringt es auf den Punkt:
„Insbesondere Personen mit hohem Arbeitspensum neigen dazu, Erholungspausen zu verkürzen oder gänzlich ausfallen zu lassen, was zu Erschöpfung, Konzentrationsproblemen und einem geschwächten Immunsystem führen kann.“
Zu den konkreten Belastungsfaktoren im Arbeitsalltag, die zu Leisure Sickness führen können, gehören laut der Studie:
Hoher Arbeitsdruck
Mangelnde Unterstützung von Vorgesetzten oder Kollegen
Unklare Aufgabenverteilung
Ungünstige Work-Life-Balance
Keine Urlaubsvertretung
Lange Arbeitstage
Diese Faktoren sollten für Arbeitnehmer auf keinen Fall zum Dauerzustand werden. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Denn laut der Studie fühlen sich knapp 10 % der Beschäftigten durch hohen Arbeitsdruck überfordert. 7 von 10 machen regelmäßig Überstunden – bis zu fünf pro Woche.
Hinzu kommt: Die permanente Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit, verstärkt durch Remote und Hybrid Work, erschwert eine klare Trennung zwischen Job und Freizeit. Das macht echte Erholung im Alltag immer schwieriger.
Das passiert bei Leisure Sickness im Körper
Ein möglicher Auslöser von Leisure Sickness liegt im autonomen Nervensystem. In Phasen hoher Belastung übernimmt der Sympathikus das Kommando – er hält uns wach, leistungsfähig und angespannt.
Der Gegenspieler, der Parasympathikus, bleibt dabei auf Stand-by. Er ist eigentlich für Regeneration und Entspannung zuständig, bekommt aber kaum noch Raum.
Hält dieser Zustand über längere Zeit an, gerät das System aus dem Gleichgewicht. Der Körper „verlernt“ regelrecht, in den Ruhemodus zu schalten. Und wenn die ersehnte Entlastung im Urlaub dann endlich kommt, stürzt das System ab: Statt Erholung folgen Erschöpfung, Kopfschmerzen, Übelkeit.
Das Immunsystem spielt auch eine zentrale Rolle. Unter Dauerstress ist der Cortisolspiegel erhöht. Das hält uns leistungsfähig, schwächt aber gleichzeitig das Immunsystem. Wenn der Stress plötzlich nachlässt, sinkt auch der Cortisolspiegel ab. Genau dann reagiert das Immunsystem. Viren oder Bakterien, die der Körper zuvor unterdrückt hat, können ausbrechen. Die Folge: Erkältung, Magenprobleme oder Migräne – und zwar genau dann, wenn eigentlich Erholung angesagt ist.
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Krank nach Stressabfall: Diese Mitarbeiter sind besonders gefährdet
Für Führungskräfte ist es entscheidend zu wissen, welche Mitarbeitertypen besonders anfällig für Leisure Sickness sind. Denn: Laut einer Studie aus dem Jahr 2002 gibt es bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, die das Risiko deutlich erhöhen.
Dazu zählen:
Schwierigkeiten, sich auf arbeitsfreie Zeiten einzustellen
Hohes Leistungsbedürfnis
Hohes Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Arbeit
Mitarbeiter, auf die diese Punkte zutreffen, verdienen besondere Aufmerksamkeit; gerade in Phasen, in denen sich Erschöpfung ankündigt oder Erholung ansteht.
Auch junge Mitarbeiter sollten Führungskräfte im Blick behalten – vor allem aus der Generation Z. Denn anders als ihr oft unterstellt wird, zeigt die aktuelle Forschung ein anderes Bild. Prof. Dr. Stefanie André beschreibt:
„Die Ergebnisse [der Untersuchung] zeigen ein ausgeprägtes Pflichtbewusstsein bei den bis 25-Jährigen und widerlegen damit das gängige Klischee der ‚faulen Generation Z‘. Statt Arbeitsvermeidung stehen für viele junge Arbeitnehmer:innen Erreichbarkeit und Verantwortung im Fokus – auch über die regulären Arbeitszeiten hinaus.“
Tipps gegen Leisure Sickness: Für Führungskräfte und ihre Mitarbeiter
Führungskräfte und HR-Verantwortliche sollten Leisure Sickness nicht auf die leichte Schulter nehmen. Sie tragen Verantwortung dafür, ihre Mitarbeiter im Blick zu behalten – und mögliche Warnsignale frühzeitig zu erkennen.
Einfache Rituale im Alltag
Ein entspannter Alltag ist die beste Versicherung gegen den Freizeit-Crash. Diese Routinen lassen sich einfach etablieren und sind extrem wirkungsvoll:
1. Gesunde Schlafroutine
Das heißt konkret:
Immer zur gleichen Zeit ins Bett gehen.
Kein Koffein am Nachmittag (Koffein steigert den Cortisolspiegel und das kann wiederum Stressreaktionen im Körper hervorrufen).
Abends leicht und nicht zu spät essen.
1–2 Stunden vor dem Schlafen (genauso wie morgens nach dem Aufwachen) Blaulicht von Smartphone oder Laptop vermeiden.
2. Achtsames Essen
Regelmäßige, ausgewogene Mahlzeiten.
Langsam essen und gut kauen.
3. Stressregulation durch Achtsamkeit
Atemtechniken, Meditation oder Yoga helfen dem Körper bei regelmäßiger Anwendung herunterzufahren und zu entspannen.
Tipps für mehr Gelassenheit bei der Arbeit
Die IU-Studie zeigt, wie man Leisure Sickness im Arbeitsalltag vorbeugen kann – das gilt sowohl für Führungskräfte als auch für ihre Teams:
Klare Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit ziehen (inkl. verbindlicher Erreichbarkeitsregeln)
Arbeitszeiten und Pausen tracken
Aktive Erholungspausen einplanen
Urlaube vorbereiten – und nicht direkt am ersten Urlaubstag in den Flieger steigen
Übrigens: Wenn es darum geht, wie man im Alltag am besten entspannt, dann macht es der Mix aus aktiven und passiven Aktivitäten. Bewegung und Ruhe, Gesellschaft und Zeit für sich. Nur Isolation oder Dauerbespaßung überfordern und führen nicht zur gewünschten Entspannung – die Kombination aus beidem funktioniert am besten.
Was Führungskräfte konkret verändern können
Führungskräfte haben nicht nur die Verantwortung, sondern auch den Hebel, die Erholungskultur im Unternehmen zu verbessern.
Und das beginnt bei ihnen selbst: Wer Pausen, Erreichbarkeit und Urlaub ernst nimmt, sendet ein klares Signal an sein Team. Als Vorbild leben Sie vor, was Sie von anderen erwarten – auch im Umgang mit Leisure Sickness.
Darüber hinaus können Sie Rahmenbedingungen schaffen, die es Ihren Mitarbeitern erleichtern, gesunde Routinen zu entwickeln:
Klare Urlaubsregelungen mit festen Vertretungsplänen
Regelmäßige Check-ins zur Arbeitsbelastung und zum mentalen Wohlbefinden
Gezielte Benefits, die Gesundheit und Erholung fördern. Wirksame Beispiele können sein:
Essenszuschüsse und gesunde Mahlzeiten im Büro: Entlastet den Alltag, spart Zeit und unterstützt eine ausgewogene Ernährung.
Betriebliche Krankenversicherung (bKV): Deckt nicht nur zusätzliche Gesundheitsleistungen ab, sondern signalisiert auch: „Deine Gesundheit ist uns wichtig.“ Erfahren Sie hier mehr über die betriebliche Krankenversicherung.
Zugang zu mentaler Gesundheitsbegleitung: z. B. Coachings, Online-Therapieangebote oder Stressmanagement-Kurse.
Das Wichtigste in Kürze
Das Leisure Sickness Syndrom zeigt: viele Menschen haben verlernt, richtig abzuschalten.
Wer dauerhaft im Stressmodus lebt, dem fällt es oft schwer, in der Freizeit zur Ruhe zu kommen – mit körperlichen Symptomen als Folge.
Besonders gefährdet sind Mitarbeiter mit hohem Verantwortungsgefühl, starkem Leistungsanspruch oder fehlender Abgrenzung zwischen Arbeit und Privatleben, genauso wie junge Beschäftigte.
Führungskräfte können entscheidend dazu beitragen, eine gesunde Erholungskultur zu fördern: durch Vorbildverhalten, klare Regeln und Benefits, die echte Regeneration ermöglichen.