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Mitarbeitergesundheit
Lesezeit: 8 Minuten

Krank im Urlaub? Tipps gegen „Leisure Sickness“ für Führungskräfte

Erica Viitasalo
Erica Viitasalo
Heilpraktikerin & Gesundheitscoach für Stress und Burnout
Gesundheit heißt für mich, achtsam wahrzunehmen, was in uns passiert – und unsere Aufmerksamkeit dorthin zu lenken, um Heilung zu ermöglichen.

Wochenlang wird im Job durchgezogen, auf den Urlaub hingearbeitet – und dann das: Kaum steht die lang ersehnte Erholung vor der Tür, schlagen Erkältung, Migräne oder Erschöpfung zu. Ein Phänomen, das viele kennen, aber kaum jemand beim Namen nennt: Leisure Sickness

Was steckt dem Leisure-Sickness-Syndrom? Welche Rolle spielen hierbei unser Nervensystem und psychologischen Muster? Und was hilft gegen Leisure Sickness?

Ich bin Erica Viitasalo, Heilpraktikerin und Gesundheitscoach für Stress- und Burnoutmanagement, und zeige Ihnen in diesem Artikel, welche Ursachen und Risikofaktoren es für Leisure Sickness gibt und mit welchen kleinen Tipps Sie das Phänomen als Führungskraft gezielt vorbeugen können – für sich selbst und für Ihr Team!

Frau steht am Strand und putzt sich die Nase.

Was ist das Leisure-Sickness-Syndrom?

„Warum werde ich krank, wenn ich frei habe?“ – diese Frage stellen sich viele Menschen, besonders zur Sommerferienzeit. In vielen Fällen steckt ein Phänomen dahinter, das den Namen Leisure Sickness trägt. 

Definition: Leisure Sickness

Auch wenn der Begriff Leisure Sickness zunächst exotisch klingt – die meisten sind damit bereit in Berührung gekommen. Das Leisure-Sickness-Syndrom bezeichnet „das psychosomatische Phänomen, dass sich Menschen bevorzugt krank fühlen bzw. erkranken, wenn sie in eine Freizeitphase eintreten“ (Antwerpes und Ostendorf, DocCheck Flexikon).

Im Deutschen ist oft von „Freizeitkrankheit“ oder „Wochenendkrankheit“ die Rede. Erstmals beschrieben wurde das Syndrom bereits 2001 von den niederländischen Psychologen Ad Vingerhoets und Maaike van Huijgevoort.

Leisure Sickness: Symptome

Da Leisure Sickness keine offiziell anerkannte Krankheit, sondern nur ein psychologisches Phänomen ist, können die Symptome von Person zu Person stark variieren. Doch wie äußert sich das Leisure-Sickness-Syndrom grundsätzlich? 

Eine aktuelle Studie der IU Internationale Hochschule ermittelte die folgenden Faktoren in absteigender Reihenfolge als typische Symptome für Leisure Sickness

  • Müdigkeit/ Erschöpfung 

  • Schlafprobleme – Einschlaf- und Durchschlafprobleme 

  • Reizbarkeit 

  • Kopfschmerzen 

  • Erkältungssymptome 

  • Magen-Darm-Beschwerden 

  • Migräne 

Diese Symptome treten typischerweise am Wochenende oder im Urlaub auf und halten meist wenige Stunden bis maximal zwei Tage an. 

Wie verbreitet ist Leisure Sickness?

Die meisten Berufstätige kennen das Phänomen Leisure Sickness aus eigener Erfahrung – auch wenn sie es vielleicht nicht beim Namen nennen könnten: Laut aktuellen Studienergebnissen haben 7 von 10 deutschen Arbeitnehmern Leisure Sickness schon einmal erlebt. Besonders alarmierend: Fast 20 % fühlen sich im Urlaub sogar häufig oder immer krank. 

Illustration des Stimmungstiefs nach dem Urlaub (Post Holiday Syndrom).

Stimmungstief nach Urlaub? So verhindern Sie das "Post Holiday Syndrom"

Ursachen für Leisure Sickness: Psychologische Prägungen und Dauerstress

Die Ursachen für Leisure Sickness liegen vor allem in zwei Bereichen: akutem Stress und hoher Arbeitsbelastung – aber auch in tiefer liegenden, psychologischen Mustern, die bis in die Kindheit zurückreichen.

Psychologischen Hintergründe und kindliche Prägungen

Wie so oft im Leben spielen auch bei Leisure Sickness unsere frühen Prägungen eine zentrale Rolle. Wer schon als Kind gelernt hat, dass Leistung mit Anerkennung verknüpft ist, hat es später oft schwer, wirklich abzuschalten. Hinter diesem Verhalten steckt ein tiefer Glaubenssatz: „Ich bin nur wertvoll, wenn ich funktioniere.“ 

Die Folge? Ein ständiger Leistungsdruck. Selbst in Phasen, in denen eigentlich Erholung angesagt wäre. Der Körper kommt nie richtig zur Ruhe. 

Auch Perfektionismus ist ein starker Treiber. Besonders perfektionistisch veranlagte Menschen übernehmen viel Verantwortung – im Job wie im Privaten. Für sie bedeutet Loslassen oft Kontrollverlust. Und so bleibt das Nervensystem im Alarmmodus. 

Stress und hoher Arbeitsbelastung

Oft führt genau diese psychologische Prägung dazu, dass Menschen später im Berufsleben viel Verantwortung nehmen, einem hohen Workload nachgehen und sich in ihrer Freizeit schwer davon abgrenzen können. Prof. Dr. Stefanie André, Professorin für Gesundheitsmanagement und Expertin für Gesundheit am Arbeitsplatz, bringt es auf den Punkt: 

„Insbesondere Personen mit hohem Arbeitspensum neigen dazu, Erholungspausen zu verkürzen oder gänzlich ausfallen zu lassen, was zu Erschöpfung, Konzentrationsproblemen und einem geschwächten Immunsystem führen kann.“

Zu den konkreten Belastungsfaktoren im Arbeitsalltag, die zu Leisure Sickness führen können, gehören laut der bereits genannten Studie der IU Internationale Hochschule: 

  • Hoher Arbeitsdruck 

  • Mangelnde Unterstützung von Vorgesetzten oder Kollegen 

  • Unklare Aufgabenverteilung 

  • Ungünstige Work-Life-Balance 

  • Keine Urlaubsvertretung 

  • Lange Arbeitstage 

Diese Faktoren sollten für Arbeitnehmer eigentlich auf keinen Fall zum Dauerzustand werden. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Denn laut der Studie fühlen sich knapp 10 % der Beschäftigten durch hohen Arbeitsdruck überfordert. 7 von 10 machen regelmäßig Überstunden – bis zu fünf pro Woche.

Hinzu kommt: Die permanente Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit, verstärkt durch Remote und Hybrid Work, erschwert eine klare Trennung zwischen Job und Freizeit. Das macht echte Erholung im Alltag immer schwieriger.

Das passiert bei Leisure Sickness im Körper

Ich habe Ihnen bereits erklärt, woher Leisure Sickness auf psychologischer Ebene kommt. Aber was passiert hierbei eigentlich in unserem Körper?

Sympathikus in Dauerschleife

Ein möglicher Auslöser von Leisure Sickness liegt auf körperlicher Ebene im autonomen Nervensystem: In Phasen hoher Belastung übernimmt der Sympathikus das Kommando – er hält uns wach, leistungsfähig und angespannt. Genau das brauchen wir in stressigen Phasen, um durchzuhalten. Der Parasympathikus, der Gegenspieler des Sympathikus, ist für Regeneration und Entspannung zuständig, und bleibt in diesen hohen Belastungsphasen auf Stand-by.

Hält dieser Zustand aus aktivem Sympathikus und inaktivem Parasympathikus jedoch über längere Zeit an, dann gerät das System aus dem Gleichgewicht. Der Körper „verlernt“ regelrecht, in den Ruhemodus zu schalten. Und wenn die lang ersehnte Entlastung im Urlaub dann endlich kommt, stürzt das System komplett ab: Statt Erholung folgen Erschöpfung, Kopfschmerzen, Übelkeit.

Cortisolabfall und Immunreaktion

Das Immunsystem spielt auch eine zentrale Rolle. Unter Dauerstress ist der Cortisolspiegel erhöht. Das hält uns leistungsfähig, schwächt aber gleichzeitig das Immunsystem. Wenn der Stress plötzlich nachlässt, sinkt auch der Cortisolspiegel ab. Genau dann reagiert das Immunsystem. Viren oder Bakterien, die der Körper zuvor unterdrückt hat, können ausbrechen. Die Folge: Erkältung, Magenprobleme oder Migräne – und zwar genau dann, wenn eigentlich Erholung angesagt ist.

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Krank nach Stressabfall: Diese Mitarbeiter sind besonders gefährdet

Für Führungskräfte ist es entscheidend zu wissen, welche Mitarbeitertypen besonders anfällig für Leisure Sickness sind. Denn: Laut einer Studie aus dem Jahr 2002 gibt es bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, die das Risiko deutlich erhöhen. Dazu zählen: 

  • Schwierigkeiten, sich auf arbeitsfreie Zeiten einzustellen 

  • Hohes Leistungsbedürfnis 

  • Hohes Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Arbeit 

Mitarbeiter, auf die diese Punkte zutreffen, verdienen besondere Aufmerksamkeit; gerade in Phasen, in denen sich Erschöpfung ankündigt oder Erholung ansteht. 

Auch junge Mitarbeiter sollten Führungskräfte im Blick behalten – vor allem aus der Generation Z. Denn anders als ihr oft unterstellt wird, zeigt die aktuelle Forschung, dass junge Arbeitnehmer zu viel Verantwortung übernehmen und für ihren Arbeitgeber ständig erreichbar sein möchten.

„Die Ergebnisse [der Untersuchung] zeigen ein ausgeprägtes Pflichtbewusstsein bei den bis 25-Jährigen und widerlegen damit das gängige Klischee der ‚faulen Generation Z‘. Statt Arbeitsvermeidung stehen für viele junge Arbeitnehmer:innen Erreichbarkeit und Verantwortung im Fokus – auch über die regulären Arbeitszeiten hinaus.“

(Prof. Dr. Stefanie André, Professorin für Gesundheitsmanagement und Expertin für Gesundheit am Arbeitsplatz)

Leisure Sickness vorbeugen: Tipps für Mitarbeiter und Führungskräfte

Führungskräfte und HR-Verantwortliche sollten das Leisure-Sickness-Syndrom nicht auf die leichte Schulter nehmen. Sie tragen Verantwortung dafür, ihre Mitarbeiter im Blick zu behalten – und mögliche Warnsignale frühzeitig zu erkennen. 

3 einfache Rituale im Alltag

Ein entspannter Alltag ist die beste Versicherung gegen den Freizeit-Crash. Diese Routinen lassen sich einfach etablieren und sind extrem wirkungsvoll: 

1. Gesunde Schlafroutine

Das heißt konkret:

  • Immer zur gleichen Zeit ins Bett gehen. 

  • Kein Koffein am Nachmittag (Denn: Koffein steigert den Cortisolspiegel und das kann wiederum Stressreaktionen im Körper hervorrufen). 

  • Abends leicht und nicht zu spät essen. 

  • 1–2 Stunden vor dem Schlafen (genauso wie morgens nach dem Aufwachen) Blaulicht von Smartphone oder Laptop vermeiden. 

2. Achtsames Essen

  • Regelmäßige, ausgewogene Mahlzeiten. 

  • Langsam essen und gut kauen. 

3. Stressregulation durch Achtsamkeit

Atemtechniken, Meditation oder Yoga helfen dem Körper bei regelmäßiger Anwendung herunterzufahren und zu entspannen. 

4 Tipps für mehr Gelassenheit bei der Arbeit

Die Studie der IU Internationale Hochschule zeigt, wie man Leisure Sickness im Arbeitsalltag vorbeugen kann – das gilt sowohl für Führungskräfte als auch für ihre Teams: 

  • Klare Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit ziehen (inkl. verbindlicher Erreichbarkeitsregeln) 

  • Arbeitszeiten und Pausen tracken 

  • Aktive Erholungspausen einplanen 

  • Urlaube vorbereiten – und nicht direkt am ersten Urlaubstag in den Flieger steigen 

Übrigens: Wenn es darum geht, wie man im Alltag am besten entspannt, dann macht es der Mix aus aktiven und passiven Aktivitäten. Bewegung und Ruhe, Gesellschaft und Zeit für sich. Nur Isolation oder Dauerbespaßung überfordern und führen nicht zur gewünschten Entspannung – die Kombination aus beidem funktioniert am besten. 

Was Führungskräfte konkret verändern können

Führungskräfte haben nicht nur die Verantwortung, sondern auch den Hebel, die Erholungskultur im Unternehmen zu verbessern. Und das beginnt bei ihnen selbst: Wer Pausen, Erreichbarkeit und Urlaub ernst nimmt, sendet ein klares Signal an sein Team. Als Vorbild leben Sie vor, was Sie von anderen erwarten – auch im Umgang mit Leisure Sickness. 

Darüber hinaus können Sie Rahmenbedingungen schaffen, die es Ihren Mitarbeitern erleichtern, gesunde Routinen zu entwickeln: 

  • Klare Urlaubsregelungen mit festen Vertretungsplänen.

  • Regelmäßige Check-ins zur Arbeitsbelastung und zum mentalen Wohlbefinden.

  • Benefits, die Gesundheit und Erholung fördern. Wirksame Beispiele können sein: 

    • Essenszuschüsse und gesunde Mahlzeiten im Büro: Entlastet im Alltag, spart Zeit und unterstützt eine ausgewogene Ernährung. 

    • Betriebliche Krankenversicherung (bKV): Deckt nicht nur zusätzliche Gesundheitsleistungen ab, sondern signalisiert auch: „Deine Gesundheit ist uns wichtig.“

    • Zugang zu mentaler Gesundheitsbegleitung, z. B. Coachings, Online-Therapieangebote oder Stressmanagement-Kurse. 

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Das Wichtigste in Kürze

  • Das Leisure Sickness Syndrom zeigt: viele Menschen haben verlernt, richtig abzuschalten.

  • Wer dauerhaft im Stressmodus lebt, dem fällt es oft schwer, in der Freizeit zur Ruhe zu kommen – mit körperlichen Symptomen als Folge. 

  • Besonders gefährdet sind Mitarbeiter mit hohem Verantwortungsgefühl, starkem Leistungsanspruch oder fehlender Abgrenzung zwischen Arbeit und Privatleben, genauso wie junge Beschäftigte

  • Führungskräfte können entscheidend dazu beitragen, eine gesunde Erholungskultur zu fördern: durch Vorbildverhalten, klare Regeln und Benefits, die echte Regeneration ermöglichen.

Unsere Autorin
“Gesundheit heißt für mich, achtsam wahrzunehmen, was in uns passiert – und unsere Aufmerksamkeit dorthin zu lenken, um Heilung zu ermöglichen.”
Ich bin ausgebildete Heilpraktikerin, systemischer Gesundheitscoach und PSYCHEDELIC BREATH® Teacher. Darüber hinaus beschäftige ich mich mit Themen wie Yoga, Breathwork, Psychologie, gesunde Ernährung, Sport und Achtsamkeit im Alltag – all das fließt in meine Arbeit ein und unterstützt Menschen dabei, Stress und Burnout vorzubeugen und ihre Gesundheit nachhaltig zu stärken.
Erica Viitasalo
Erica Viitasalo
Heilpraktikerin & Gesundheitscoach für Stress und Burnout

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