Quiet Quitting: Maßnahmen für Führungskräfte gegen die stille Kündigung
Ein Mitarbeiter zieht sich zurück, wirkt distanzierter, macht nur noch das Nötigste. Eine „stille Kündigung“ oder auch „Quiet Quitting“ äußert sich – wie der Name schon sagt – vergleichsweise unauffällig, doch geht mit einem Verlust von Motivation, Vertrauen und Bindung einher, der für Arbeitgeber fatale Folgen haben kann. Genau hier entscheiden gute Maßnahmen der Mitarbeiterbindung, ob sich jemand wieder einbringt oder sich emotional vollkommen verabschiedet.
In diesem Artikel erklären wir, was „Quiet Quitting“ bedeutet, wie sich der Arbeitsmarkt in Deutschland entwickelt und warum die stille Kündigung dadurch sogar zunehmen könnte. Außerdem geben wir Ihnen eine Checkliste an die Hand, um die „stille Kündigung“ bei Mitarbeitern zu erkennen sowie 4 wissenschaftlich fundierte Maßnahmen der Mitarbeiterbindung, mit denen Sie dem entgegenwirken können!
Was ist „Quiet Quitting“?
„Quiet Quitting“ oder auch „Silent Quitting“ ist zu einem Trendbegriff geworden, doch beschreibt er ein nicht zu unterschätzendes Phänomen in der Arbeitswelt, das im Deutschen häufig mit der „stillen Kündigung“ übersetzt wird.
„Quiet Quitting“: Bedeutung
„[Quiet Quitting is] the activity of doing the work that you need to do in order to keep your job but doing it without great enthusiasm or effort, and without agreeing to do extra tasks.“ (Cambridge Dictionary)
Mitarbeiter erledigen bei der „stillen Kündigung“ nur noch Dienst nach Vorschrift, zeigen kein überdurchschnittliches Engagement und legen einen stärkeren Fokus auf private und außerberufliche Interessen. Dieses Verhalten stellt eine metaphorische Kündigung der Mehrleistung dar – meist, weil sich Mitarbeiter nicht wertgeschätzt fühlen und unzufrieden sind. Extraleistungen, Überstunden oder zusätzliche Aufgaben werden nicht mehr übernommen und es entsteht eine emotionale Distanz zum Unternehmen.
Der Unterschied zur „inneren Kündigung“
Wichtig beim „Quiet Quitting“ ist, dass Mitarbeiter nicht bewusst über einen Stellenwechsel nachdenken oder sich gar aktiv bei anderen Arbeitgebern bewerben. Dahingehend unterscheidet sich das Verhalten zur „inneren Kündigung“, bei der Mitarbeiter tatsächlich das Unternehmen verlassen möchten und eben innerlich bereits gekündigt haben.
Beim „Quiet Quitting“ verlagert sich der Schwerpunkt: Statt hohes Engagement bei der Arbeit zu zeigen, konzentrieren sich die Mitarbeiter vermehrt auf ihr Privatleben. Das klingt auf den ersten Blick harmloser, kann aber für Unternehmen zu einem Problem werden. Denn auch, wenn Mitarbeiter derzeit keinen aktiven Wechsel geplant haben, kann eine dauerhafte Unzufriedenheit schlussendlich genau dazu führen.
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„Quiet Quitting“ in Deutschland: Ein wachsendes Problem auf dem Arbeitsmarkt?
Eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigte, dass durch die Corona-Krise im Jahr 2021 kein steigender Trend zu „Quiet Quitting“ zu beobachten war. Doch wie sieht das heute, vier Jahre später, aus?
8 von 10 machen nur noch Dienst nach Vorschrift
Wie steht es um die emotionale Mitarbeiterbindung in Deutschland, und damit um genau den Aspekt, der „Quiet Quitting“ vorbeugt? Zahlen aus dem aktuellen Gallup Engagement Index Deutschland 2024 lassen aufhorchen:
Nur 9 % der Mitarbeiter fühlen sich emotional stark an ihren Arbeitgeber gebunden. Das entspricht einem Rekordwert, denn in den letzten mehr als 20 Jahren war dieser Wert noch nie einstellig.
78 % machen nur Dienst nach Vorschrift – also genau die Arbeitshaltung, die auf „Quiet Quitting“ hinweisen kann.
Ein Arbeitsmarkt voller Unsicherheiten
Ein weiterer Aspekt, der sich verändert hat, ist die Entwicklung des Arbeitnehmermarktes zu einem Arbeitgebermarkt – zumindest in einigen Branchen. Könnte das dazu führen, dass Mitarbeiter aus Gründen der Unsicherheit länger in Jobs bleiben, die sie unglücklich machen, dort dann aber „still“ kündigen?
So sieht es auf dem deutschen Arbeitsmarkt aktuell aus:
Aktuell ist ein allgemeiner Rückgang der Stellenausschreibungen zu beobachten, das zeigt die IAB-Stellenerhebung: Im zweiten Quartal 2025 gab es 1.058.000 offene Stellen in Deutschland, ein Jahr zuvor waren es noch 1.337.000 – das entspricht einer Reduktion von über 20 %.
Auch zeigen Zahlen des IAB, dass sich die Arbeitslosen-Stellen-Relation (also das Verhältnis von Arbeitslosen zu offenen Stellen) im ersten Quartal 2025 auf 2,5 erhöht hat, im Vergleich zu 1,8 ein Jahr zuvor. Das bedeutet im Klartext: Zu viele Menschen für zu wenige Jobs.
Natürlich trifft diese Entwicklung nicht jede Branche gleich. Während einige Branchen händeringend suchen, herrscht in anderen Bereichen ein Überangebot an Fachkräften. Trotzdem zeigen die genannten Zahlen, dass sich der Arbeitsmarkt verschiebt und zugleich die emotionale Bindung an den Arbeitgeber abnimmt.
Was bedeutet das für „Quiet Quitting“? Wenn Mitarbeiter unzufrieden sind, aber angesichts des Arbeitsmarkts keine Job-Alternativen sehen, dann bleiben sie eher im Unternehmen – aber fühlen sich emotional nicht gebunden und legen den Fokus nicht mehr so stark auf ihre Arbeit. Die aktuelle Lage könnte das Phänomen also weiter verschärfen.
Auswirkungen von „Quiet Quitting“ für Unternehmen
Bei der „stillen Kündigung“ fehlt häufig die emotionale Bindung zum Arbeitgeber als Grundlage für Zufriedenheit und Motivation – und das sorgt nachweislich für steigende Fehlzeiten, während die Arbeitsqualität und -produktivität sinkt, das bestätigt eine Meta-Analyse von Gallup.
Zum Vergleich: Während Mitarbeiter mit einer hohen Bindung nur 5 Tage fehlen, fehlen Mitarbeiter mit geringer oder gar keiner emotionalen Bindung fast 8 Tage pro Jahr wegen Krankheit.
Zusammengefasst kann „Quiet Quitting“ folgende Auswirkungen für Unternehmen bringen:
Sinkende Produktivität durch Dienst nach Vorschrift.
Höhere Belastung der Leistungsträger: Die Engagierten müssen kompensieren. Das kann dazu führen, dass genau diese Top-Leute irgendwann selbst gehen.
Schlechtere Teamdynamik: Wenn einige nur noch Dienst nach Vorschrift machen, entsteht Frust und Misstrauen bei anderen.
Steigende Fluktuation – nur zeitversetzt: „Quiet Quitter“ bleiben zwar erstmal, aber sie gehen, wenn sich eine bessere Option bietet.
All das kann teuer werden: So entstanden laut Gallup Engagement Index Deutschland 2024 im letzten Jahr durch die Produktivitätseinbußen der „inneren Kündigung“ Kosten von bis zu 134 Mrd. Euro. Zwar entspricht „Quiet Quitting“ (noch) keiner inneren Kündigung – doch kann es der nächste Schritt sein.
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Checkliste: So erkennen Führungskräfte die „stille Kündigung“
„Quiet Quitting“ ist zwar dem Namen nach still, doch aufmerksame Führungskräfte können die Entwicklung frühzeitig erkennen – und sollten es auch. Damit Ihnen das leichter fehlt, haben wir eine Checkliste vorbereitet. Erkennen Sie einen Mitarbeiter darin wieder? Dann sollten sie aktiv werden und ins Gespräch gehen!
Der Mitarbeiter zieht sich zurück und die Beteiligung sinkt, z. B. in Meetings oder in Gesprächen.
Er vermeidet informellen Kontakt zum Team.
Er reagiert später oder neutraler in der Kommunikation.
Er wirkt emotional abgekoppelt oder gleichgültig.
Er bringt kaum eigene Ideen oder Vorschläge mit ein (besonders auffällig, wenn das zuvor anders war).
Wenn er sich beteiligt, äußert er häufiger Skepsis, Frust oder Zynismus.
Die Qualität nimmt ab oder die Arbeitsgeschwindigkeit sinkt.
Er ist vermehrt kurzfristig abwesend oder krank.
Er zeigt wenig Interesse an Weiterbildungen oder Entwicklungen.
4 Tipps für Führungskräfte gegen „Quiet Quitting“
Haben Sie (vielleicht) einen oder mehrere „Quiet Quitter“ im Team? Dann läuft etwas nicht ganz richtig. Leider ist die „stille Kündigung“ kein Problem, das Führungskräfte mit 1 oder 2 kleinen Aktionen schnell beheben können. Stattdessen bedarf es Maßnahmen der (emotionalen) Mitarbeiterbindung, die langfristig die Dynamik verändern.
Im Folgenden nennen wir Ihnen 4 Mitarbeiterbindungsmaßnahmen mit konkreten Handlungsempfehlungen zur Umsetzung. Diese basieren auf einem wissenschaftlichen Beitrag von T. Mahand und Dr. C. Caldwell.
Dr. C. Caldwell ist Professor und promovierter Managementforscher, der sich seit vielen Jahren mit Führung, Ethik und Organisationsverhalten beschäftigt. Er hat zahlreiche Bücher und Artikel veröffentlicht und gilt international als anerkannte Stimme in der Führungsforschung.
1. Aktiv zuhören
Aktiv zuhören klingt simpel und vielleicht auch gar nicht so wichtig. Doch diese Einstellung ist fatal! Echtes Interesse zu zeigen und wirklich zu hören, was Mitarbeiter Ihnen sagen, ist unsagbar wichtig, um Wertschätzung zu zeigen und die Mitarbeiterbindung zu erhöhen. Wie das gelingt:
Sprechen Sie bewusst weniger und stellen mehr Fragen.
Bieten Sie nicht sofort Lösungen an, sondern versuchen das Problem erst in Gänze zu verstehen.
Dokumentieren Sie die Meinungen und Erkenntnisse von Ihren Mitarbeitern und lassen Sie sie im nächsten Schritt auch tatsächlich in Entscheidungen einfließen – so zeigen Sie, dass Sie wirklich zuhören.
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2. Dankbarkeit und Erfolge transparent kommunizieren
Wenn wir etwas leisten, dann möchten wir Bestätigung für unsere Arbeit, denn auch das steigert das Gefühl der Wertschätzung und der Zufriedenheit, und somit auch die emotionale Mitarbeiterbindung. Deshalb sollten Führungskräfte aktiv Dankbarkeit zeigen und Erfolge wertschätzen:
Geben Sie aktiv positives Feedback, auch unaufgefordert.
Erkennen Sie Erfolge Ihrer Mitarbeiter an, entweder persönlich, im Teamchat oder im gemeinsamen Call.
Damit das gelingt sollten Sie gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern klare Ziele definieren, die erreicht werden können, und zeigen, wie der individuelle Job zum Unternehmenszweck beiträgt – auch das stärkt die Sinnhaftigkeit der Arbeit.
3. Überdenken Sie Ihre Haltung und Stereotype
„[…] until organizations are willing to change their thinking about what they expect from employees […], the unfortunate prognosis is that quiet quitting will continue and the potential of many of today’s businesses will go unrealized“, so schreiben es Mahand und Caldwell in ihrem Artikel.
Genau deshalb müssen Sie bei sich und Ihren Haltungen anfangen: Denken Sie nicht in Stereotypen, betrachten Sie Ihre Mitarbeiter individuell und seien Sie ehrlich mit sich selbst. Sind Ihre Erwartungen und Ansprüche fair? Gehen Sie wirklich auf Ihr Team ein? Folgende Handlungsempfehlungen können helfen:
Führen Sie Einzelgespräche, um Ihre Mitarbeiter besser zu verstehen – insbesondere, wenn es um verschiedene Generationen geht.
Behandeln Sie Ihre Mitarbeiter wie Partner, nicht als Untergebene.
Bringen Sie Ihre Anspruchshaltungen mit realistischen Erwartungen zusammen.
Modernisieren Sie Arbeitsbedingungen, um den Wünschen Ihrer Mitarbeiter entgegenzukommen.
4. Entwickeln Sie sich von der Führungskraft zum Coach
Vorgesetzte sind am stärksten für die Unzufriedenheit am Arbeitsplatz verantwortlich. Deshalb ist Weiterentwicklung hier das entscheidende Stichwort; andernfalls kann es fatale Folgen für die Mitarbeiterzufriedenheit haben.
Handlungsempfehlungen:
Führungskräfte sollten regelmäßige Schulungen unterlaufen, um sich weiterzuentwickeln – das können Sie auch selbst in die Wege leiten, wenn Ihr Arbeitgeber es nicht proaktiv vorschlägt.
Mehr Coach, weniger Chef: Stellen Sie Fragen und entwickeln Potenziale, statt immer nur Anweisungen zu verteilen. Weniger Micromanagement und mehr Selbstverantwortung und Unterstützung.
Das Wichtigste in Kürze
„Quiet Quitting“ bzw. die „stille Kündigung“ ist eine emotionale Distanz zum Arbeitgeber aufgrund von Unzufriedenheit und fehlender Wertschätzung, die sich durch einem starken Dienst nach Vorschrift äußert.
Weniger offene Stellen und eine erhöhte Arbeitslosigkeit verschieben den Arbeitsmarkt – und diese Unsicherheit könnte die „stille Kündigung“ in Zukunft noch verstärken.
Führungskräfte erkennen „Quiet Quitting“ früh, wenn sie Rückzug, Leistungsabfall und Distanz ihrer Mitarbeiter ernst nehmen.
Wirksame Maßnahmen der Mitarbeiterbindung setzen bei Beziehung, Vertrauen, Anerkennung und echter Beteiligung an. Unternehmen, die konsequent in moderne Führung investieren, reduzieren „stille Kündigungen“ und stärken langfristig Motivation und Produktivität.